
Sibilla Pavenstedt ist Chefdesignerin ihres gleichnamigen Couture Ateliers, Vereinsvorsitzende der Unternehmensgesellschaft Made auf Veddel und Vorsitzende des gleichnamigen Vereins zur Integration von Frauen mit Migrationshintergrund. In ihrer Arbeit und ihrem Verein Made auf Veddel legt sie dabei ein besonderes Augenmerk auf Frauen mit Migrationshintergrund und bietet ihnen die Möglichkeit ihre Fähigkeiten im Handwerk zu erweitern und dazu parallel Deutsch zu lernen. Wenn sie gut genug sind, haben sie anschließend die Möglichkeit mit realen Aufträgen Geld zu verdienen. Die Aufträge können die Frauen dabei im Atelier oder zu Hause erledigen und so Beruf und Familie unter einen Hut bekommen.
Sibilla hat selbst lange in Paris gelebt und gearbeitet; ihre Familie stammt aus Italien. Das Fremde oder andere hat sie dabei immer schon angezogen. „Für mich ist die Qualität der Arbeit sowie der Mode ausschlaggebend. Sprachbarrieren oder kulturelle Unterschiede schrecken mich nicht ab. Ich gebe Menschen die Chance sich zu beweisen, egal welche Geschichte sie mitbringen. So entstehen einzigartige Synergien, die ganz neues Potenzial schaffen.“

Sibilla, für was steht der Name „Made auf Veddel“?
Made auf Veddel steht für Female Empowerment, Integration, Vielfalt und harte Arbeit.
Wo findest du diese Frauen und gibt es irgendwelche Grundvoraussetzungen, die diese Frauen erfüllen müssen?
Als wir 2008 begonnen haben, haben wir Handzettel in jeden Briefkasten geworfen, Infoabende veranstaltet und Frauen angesprochen. Die Resonanz war unfassbar positiv. Mittlerweile machen wir keine Werbung mehr, auf der Veddel kennt man uns und viele der Frauen kennen sich untereinander. Wer Lust hat mitzumachen, kann sich jederzeit bei uns melden. Die einzige Voraussetzung ist die Teilnahme am Deutschkurs. Und natürlich Lust am Handarbeiten. Ob talentiert oder nicht macht keinen Unterschied. Es geht um den Austausch und darum Möglichkeiten aufzuzeigen.
Wie nimmst du die Motivation bei diesen Frauen wahr? Sind diese „nur“ froh einen Job zu haben oder sehen sie einen tieferen Wert und Weg in dieser Zusammenarbeit?
Viele der Frauen sind seit Beginn dabei, also seit über zehn Jahren. Neben der Tatsache, dass sie bei uns Geld verdienen, erfahren sie Wertschätzung für das, was sie tun. Das ist wahnsinnig wichtig. In jedem Produkt, das sie herstellen, steht der Name der Frau, die es gefertigt hat. Es ist für die meisten nicht nur ein Job. Wir leisten Hilfestellungen bei bürokratischen Angelegenheiten und wachsen zusammen.
Immigranten haben die meiste Zeit ihres Lebens in einer anderen Kultur gelebt und entsprechend auch andere Werte ihrer Person und ihrer Arbeit kennengelernt. Wie kommen sie mit der Integration, verbunden mit Verantwortung und auch Selbstbestimmtheit, klar? Ist Überforderung ein Thema?
Wir versuchen nicht die kulturellen Unterschiede abzubauen oder gar die von uns gelebte Kultur als Leitkultur zu lehren. Die Frauen kommen aus unterschiedlichen Ländern, einige sind verheiratet, andere nicht – alle jedoch sind selbstbestimmt und haben sich bewusst für das Projekt entschieden. Wir versuchen den Prozess der Emanzipation zu fördern, indem wir den Teilnehmerinnen Selbstbewusstsein vermitteln, versuchen aber nicht sie zu verändern.

Du hast selbst 15 Jahre in Paris ein Atelier geführt. Wie war diese Zeit für dich? Paris wird als sehr strikt aber auch emotionsgeladen gerade im Bereich Fashion wahrgenommen. Hat dir das geholfen, dich als Designerin zu positionieren oder deine Werte zu setzen?
Ich habe das Gefühl, dass meine Mode schon immer sehr international war. Ich habe in Paris gelebt und gearbeitet, in Deutschland produziert und in die ganze Welt verkauft. Paris gab mir die Möglichkeit mich noch freier zu entfalten, zu experimentieren.
Deine Kollektionen wurden auch schon von internationaler Prominenz wie Jane Birkin, Laetitia Casta, Debbie Harry, Michelle Pfeiffer oder Franka Potente getragen und geliebt. Nun sollte man denken, dass wenn man solche Höhenluft schnuppert, auch weiterhin das Potenzial in diese Richtung ansteuert. Wie kam die Entscheidung eher in die andere Richtung zu schauen und den Fokus auf Lebensbereiche und Menschen zu setzen, die jenseits von Glanz und Glamour herrschen?
Für mich geht es in der Mode nicht nur darum immer schneller und größer zu werden, sondern auch darum Geschichten zu erzählen. Nicht zuletzt meine eigene. Ich war an einem Punkt, an dem ich überall meine Kollektionen zeigte, international verkaufte und merkte, dass ich vergessen hatte, warum ich mich selbst so antreibe.
Ich habe mich schon immer sozial engagiert und wollte mehr machen, mehr zurückgeben. Somit kam das Projekt Made auf Veddel für mich zu einer Zeit, in der ich darin Sinnhaftigkeit und Bestand fand. Glanz und Glamour kreieren wir selbst – mit handgemachter Couture und künstlerischen Modeinszenierungen.
Wie ist für dich das soziale Engagement mit deinem entrepreneurial Spirit und dem Bedürfnis auch finanziell erfolgreich zu sein, ein Thema? Ist das immer einfach zu vereinbaren?
Wir haben gemeinsam im Projekt einen Weg gefunden die Frauen zu unterstützen und gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten. Wir akquirieren am laufenden Band neue Kunden, bilden mehr Frauen aus und entwickeln uns so weiter. In diesem Sinne vereint Made auf Veddel genau das: soziales Engagement, Entrepreneurship sowie wirtschaftlichen Erfolg. Ich selbst arbeite für den Verein und das Projekt ehrenamtlich und verdiene mein Geld über den Verkauf der Couture Kreationen unter meinem Label Sibilla Pavenstedt.
Würdest du sagen, dass du an Gewinn, Prominenz und Erfolg bisher einstreichen musstest, seitdem du deine Präsenz anders ausgerichtet hast?
Mit den vielen Projekten, an denen ich arbeite, bewege ich mich zwischen Kunst, Kultur und Mode. Mein Fokus hat sich verändert, aber meine Präsenz ist geblieben.